Tod und Trauer sind für die meisten Menschen Themen, die Ängste und Unsicherheiten auslösen. Das gilt besonders für Eltern, die vor der Frage stehen, wie sie mit trauernden Kindern umgehen sollen.

Experten raten dazu, Kinder nach Todesfällen aktiv an der Trauer zu beteiligen

Besser fernhalten von Trauerfeiern und Beerdigungen? Den Tod mit einem tiefen Schlaf erklären? Experten wie der niedersächsische Kinder- und Jugendlichentherapeut Dirk Wagner raten, offen mit dem Thema umzugehen. Kinder machten Trauererfahrungen und müssten auf ihre Weise lernen, damit zu leben. Früher wurden die meisten Menschen zu Hause geboren und starben dort auch, blickt der Experte aus Moisburg bei Hamburg zurück. „Der Leichnam wurde auch nicht sofort abgeholt, sondern teilweise mehrere Tage im Haus aufgebahrt. Kinder, Nachbarn, Freunde konnten sich am Sarg verabschieden.“ Doch das ist vorbei. Heute kommt der Tote in der Regel schnell in den Kühlraum des Bestatters.

Eltern seien nach dem Tod eines nahe stehenden Menschen bestrebt,ihre Kinder vor allem zu beschützen, was Schmerzen bereite, sagt Wagner. Eigentlich sind schon Kinder Experten im Abschied-Nehmen. Der Fund toter Tiere, die gestorbenen Großeltern, aber auch Abschiede wie der Wechsel vom Kindergarten auf die Grundschule, Umzüge oder die Trennung der Eltern: „Jedes Kind erlebt das, genauso wie Freude und Glück“, meint Liedermacher David Jehn aus Worpswede bei Bremen, der zu dem Thema zusammen mit seinem Bruder Nicolas ein großes Musikprojekt mit Grundschülern angeleitet hat.

Trauernde Kinder brauchen Halt. Jedoch sollte auf keinen Fall der Satz "Sei doch nicht traurig" fallen. Foto: dpa

„Das gehört genauso wie Geburt und Geburtstagsfeiern zum Leben dazu - die Kinder selbst gehen damit ganz offen um“, ist Jehns Erfahrung. Kinder trauerten allerdings anders als Erwachsene, verdeutlicht Diakon Matthias Schmidt, der in einem Team das kirchliche Trauerprojekt „Anderland“ für Kinder und Jugendliche in Osterholz-Scharmbeck nahe Bremen leitet. „Manche sind wütend und aggressiv, andere ziehen sich zurück und sind ängstlich. Kinder sind oft urplötzlich traurig: Sie springen mit ihrer Trauer wie in Pfützen und dann auch wieder raus.“ Deshalb sei eine jeweils individuelle Begleitung wichtig.

Im Umgang mit kindlicher Trauer gebe es kein Rezept, bestätigt Familientherapeut Wagner. „Da ist jede Familie einzigartig.“ Klar sei, dass Kinder im Vorschulalter die Traurigkeit der Erwachsenen wahrnähmen und möglicherweise zu falschen Schlüssen kämen, wenn ihnen nicht gesagt werde, was passiert sei. So könnten sie in ihrer von Magie bestimmten Vorstellungswelt das Gefühl entwickeln, dass sie am Tod eines Menschen Schuld seien. Im Gespräch dagegen bleibe das Kind nicht mit seinen Gedanken allein. „Es kann Fragen stellen, sich mitteilen, einen Beitrag
leisten.“

Der Worpsweder Jehn hat die Erfahrung gemacht, dass Kinder meist genaue Vorstellungen davon haben, wie man mit einem toten Körper umgeht. „Das hat viel mit Würde zu tun. Dazu gehört, ein Loch zu buddeln. Dann soll der Körper in eine Schachtel gelegt werden.“ Den Kindern sei es wichtig, dass es den Toten gut gehe: „So sollte eine Maus in einer Schachtel mit Löchern im Deckel beerdigt werden, damit das tote Tier genügend Luft bekommt.“

Dagegen seien Vergleiche zwischen Tod und tiefem Schlaf fatal, warnt Wagner. In der kindlichen Fantasie könne dann die Frage auftauchen, was passiere, wenn der Schlafende im mit Erde bedeckten Sarg aufwache. „Wir müssen verhindern, dass ein belastendes Familiengeheimnis entsteht“, rät Wagner. Der Unterschied zwischen Tod und Schlaf müsse deutlich werden. Das könne passieren, indem das Kind den Leichnam anfassen dürfe und im wahrsten Sinne des Wortes begreife, dass ein Körper kalt geworden sei.

Der Theologe und Trauerexperte Klaus Dirschauer unterstützt diesen Gedanken. Um überhaupt zu verstehen, dass der Tod kein böser Traum ist, könnte es seiner Auffassung nach hilfreich sein, die Leiche zu Hause aufzubahren - so, wie es früher eben oft üblich war. „Erst einmal den Tod aushalten, darauf kommt es an“, sagt Dirschauer, für den das Aufbahren Zeit für Fragen, Klage und Dankbarkeit eröffnet.

„Kinder sollten alles fragen dürfen, was Herz, Seele und Kopf bewegt“, bekräftigt Wagner. Es komme gar nicht darauf an, Schmerzen zu vermeiden, die gehörten zum Trauerprozess dazu. Auch sei es gar nicht schlimm, wenn Eltern nicht sofort Antworten auf alle Fragen hätten. „Viel wichtiger ist es, wenn Kinder begleitet werden, ihre Ängste mitteilen können, und wenn sie dann Orientierung, Halt und Schutz erfahren.“ epd