Die Zahl der Bestattungen von Verstorbenen ohne Familienangehörige nimmt seit Jahren zu. Gründe dafür sind Geldsorgen und Einsamkeit.
Aus Nächstenliebe organisieren die christlichen Kirchen Gedenkgottesdienste
Mit Armut und Alter wachse die Einsamkeit, beobachtet die Pfarrerin der Citykirche Mannheim, Anne Ressel. „Die Zahlen wachsen stetig, Corona hat den Trend noch verstärkt“, sagt sie.
Die langjährige Diakoniepfarrerin gestaltet in Absprache mit der Stadt Mannheim vier Mal im Jahr einen ökumenischen Gedenkgottesdienst für „Verstorbene ohne Angehörige“. Die Stadt sorgt für den Rahmen, stellt die Trauerhalle, Blumen und Orgelmusik. 2500 Euro koste die „einfache Sozialbestattung“ in der Stadt, sagt Katrin Fix vom Friedhofsamt Mannheim. Predigt und Aussegnung teilen sich die evangelische und katholische Kirchengemeinde. Mehr als die Namen der Toten, die ihr das Friedhofsamt übermittelt, weiß Anne Ressel in der Regel nicht. Nachforschungen im Telefonbuch führen die Pfarrerin bisweilen zum früheren Umfeld des Verstorbenen. Menschen ohne Angehörige, das sind nicht nur Obdachlose, weiß Anne Ressel. Es gebe Hochbetagte, deren Verwandte längst tot sind, Singles ohne Nachkommen und schließlich „Menschen, die den Aufwand einer Beisetzung scheuen.“ Manchmal sei es auch der letzte Wille des Verstorbenen, der Familie nicht zur Last zu fallen, Kindern die Gräberpflege nicht zuzumuten.
Die Gesellschaft für Bestattungen und Vorsorge in Hamburg geht von deutschlandweit rund 10.000 Sozialbestattungen im Jahr aus. Wenn der Staat das letzte Geleit übernimmt, geht es sparsam zu: blecherne Urnen, anonyme Beisetzung am Rand der Friedhofsmauer. 1481 Euro Zuschuss ist der Höchstbetrag, den das Sozialamt für die „einfache Sozialbestattung“ erstattet.
„Es ist nicht in Ordnung, Menschen ohne Angehörige nach ihrem Tod einfach unter die Erde zu schaffen“, sagt Florian Barth. Der Pfarrer der Stadtmission Heidelberg organisiert seit sieben Jahren Gedenkgottesdienste für „Verstorbene ohne Angehörige“. Zwei Drittel der Toten seien getaufte Mitglieder der Kirche, sagte Barth, ihnen stehe eine kirchliche Beisetzung zu. Der Impuls zu diesen Sammeltrauerfeiern kam über einen Kontakt zur Tobias-Gemeinschaft in Lüneburg. Die ökumenische Initiative setzt sich für eine würdige Bestattung aller Toten ein. Sie gelte wie „die Unterstützung von Hungernden, Dürstenden, Fremden, Gefangenen, Armen und Kranken als eines der sieben Werke der Barmherzigkeit und sei Ausdruck christlicher Nächstenliebe“, heißt es auf der Homepage der Initiative. Die biblische Figur des Tobias soll trotz eigener Not Verstorbene ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Stellung oder Religion begraben haben.
Die Beisetzung von Verstorbenen ohne Angehörige findet in namentlich gekennzeichneten Gräbern statt. Foto: dpa
„Ich dachte, ich stehe allein am Grab“, erinnert sich Florian Barth an seine Erwartungen vor dem ersten Gottesdienst am Urnengräberfeld des Friedhofs in Heidelberg-Kirchheim. Tatsächlich sei die Trauerhalle selbst im Lockdown regelmäßig voll gewesen, sagt der Geistliche. Über eine kostenlose Anzeige in der örtlichen Presse informiere er potenzielle Nachbarn oder Freunde, so Barth. Mit ihnen sucht er vor der Trauerfeier das Gespräch, ihre Erinnerungen an die Verstorbenen fügt er spontan in seine Predigt ein. „Einmal kam ein früherer Klassenkamerad, er war der einzige Trauergast“, erinnert er sich. Ein anderes Mal habe er einen Gitarrenlehrer beerdigt, bei der Trauerfeier seien ein Schüler und dessen Mutter gewesen. „So möchte ich nicht sterben“, sagt der Pfarrer. Er wolle Spuren hinterlassen.
Manchmal seien auch noch lebende Angehörige dabei, die „Geld sparen“ wollten, weiß Anne Ressel. Die meisten ihrer Verstorbenen aus Mannheim-Mitte hätten jedoch weder Geld noch enge Freunde. Hin und wieder kämen Kumpels vom Kiosk, Bekannte aus der Unterkunft oder frühere Nachbarn. „Ich habe eine Verantwortung für diese Menschen“, sagt Anne Ressel und bereitet sich „mit Herzblut“ auf ihren nächsten Gedenkgottesdienst für „Verstorbene ohne Angehörige“ vor. epd