Beim Erben ist Streit oft programmiert. Wer damit rechnet, dass sich nach seinem Tod die Erben über den Nachlass in die Haare kriegen, kann im Testament einen Testamentsvollstrecker benennen.
Mein wirklich letzter Wille
Walldorf Der Testamentsvollstrecker sorgt dafür, dass das Erbe so verteilt wird, wie es der Wille des Verstorbenen war. Damit kann er auch dafür sorgen, dass bestimmte Vorgaben sogar gegen den Willen der Erben durchgesetzt werden. „Das kann zum Beispiel die Auflage sein, dass ein Haus nicht verkauft wird, sondern im Familienbesitz bleibt“, sagt Anton Steiner vom Deutschen Forum für Erbrecht.
Auch in anderen Fällen ist ein Testamentsvollstrecker mitunter sinnvoll. Etwa dann, wenn die Erben minderjährig sind oder wenn klar ist, dass sie zu unerfahren sind, die Nachlassabwicklung selbst in die Hand zu nehmen.
„Ein Testamentsvollstrecker kann sich etwa auch darum kümmern, dass der Nachlass, wie vom Verstorbenen gewünscht, in eine Stiftung einfließt“, sagt Eberhard Rott von der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögensvorsorge. Ist einer der Erben zahlungsunfähig, dann kann mit einer richtig angeordneten Testamentsvollstreckung verhindert werden, dass das Geerbte an den Insolvenzverwalter fließt.
„Die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers bietet sich auch an, wenn eines der Kinder behindert ist“, sagt Jan Bittler von der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge. Um zu verhindern, dass das Erbteil des Kindes mit Handicap komplett an den Staat geht, weil dieser für die Heim- und Pflegekosten aufzukommen hat, muss der Erblasser ein sogenanntes Behindertentestament aufsetzen.
Damit kann der Staat das Erbe nicht einfordern. „Ein Testamentsvollstrecker verwaltet dann für das Kind mit Behinderung die Erträge des Erbes und kann daraus zum Beispiel eine kostspielige Therapie finanzieren“, erläutert Bittler.
Prinzipiell kann jeder Erwachsene Testamentsvollstrecker werden. „Ganz wichtig ist natürlich, dass er persönlich integer ist, weil er fremdes Vermögen verwaltet“, sagt Steiner. Theoretisch kann ein Miterbe zum Testamentsvollstrecker bestellt werden. „Praktisch funktioniert das aber oft nicht“, weiß Bittler. Eine neutrale Person ist oft die bessere Wahl.
Weil für die Nachlassverwaltung meist steuerliche und juristische Kenntnisse nötig sind, bietet es sich an, auf ausgebildete Testamentsvollstrecker zu setzen. In der Regel ist es Aufgabe des Testamentsvollstreckers, den Nachlass zu verwalten, die Formalien abzuwickeln und die Auseinandersetzung zwischen den Miterben durchzuführen.
Teile des Nachlasses darf er gemäß Testament gegebenenfalls auch gegen den Willen der Erben verkaufen oder versteigern. „Er kann auch als Dauertestamentsvollstrecker eingesetzt werden, um den Nachlass etwa für eine zerstrittene Erbengemeinschaft zu verwalten“, sagt Steiner. Hierfür gibt es nach seinen Angaben grundsätzlich eine Höchstdauer von 30 Jahren ab dem Erbfall.
Testamentsvollstrecker setzt alle Wünsche um – auch gegen den Willen der Erben
Welche Befugnisse der Testamentsvollstrecker im Einzelnen hat, kann der Erblasser im Testament festlegen. „Leider machen Erblasser von dieser Möglichkeit viel zu wenig Gebrauch“, beklagt Rott. Das führt dann zu Unklarheiten und damit nicht selten zu Streit mit den Erben. Rott rät daher, Aufgaben und Rechte des Testamentsvollstreckers so detailliert wie möglich festzuschreiben und sich dabei auch von Fachleuten beraten zu lassen.
„Der Testamentsvollstrecker hat letztendlich die gesamte Verfügungsmacht über den Nachlass“, stellt Bittler klar. Seine erste Amtsaufgabe besteht darin, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen und den Erben auszuhändigen. Hat einer der Erben den Eindruck, dass etwas fehlt, kann er dies kundtun. Im nächsten Schritt muss der Testamentsvollstrecker einen sogenannten Auseinandersetzungsplan zur Verteilung des Erbes aufstellen und durchsetzen.
Der Testamentsvollstrecker ist verpflichtet, gegenüber den Erben Rechenschaft über sein Tun abzulegen. „Er darf mit dem Nachlass keine spekulativen Geschäfte betreiben oder gar Dinge verschenken“, sagt Steiner. Verstößt er hiergegen, dann können die Erben ihn auf Unterlassung oder im Falle eines Falles auch auf Schadenersatz verklagen.
Bei gravierenden Fehlgriffen können die Erben auch beantragen, dass der Testamentsvollstrecker abgesetzt wird. „Darüber muss aber immer das Nachlassgericht entscheiden“, so Rott. Für die Vergütung des Testamentsvollstreckers gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. „Sinnvoll kann es daher sein, wenn die Vergütung gleich im Testament geregelt ist“, so Rott. Maßstab ist in der Praxis häufig eine Richtlinie des Deutschen Notarvereins.
Danach richtet sich die Vergütung einerseits nach der Höhe des Nachlasses und andererseits nach Umfang und Schwierigkeitsgrad der Testamentsvollstreckung. „Bei einem Nachlasswert von einer Million Euro beträgt der Vergütungsgrundbetrag etwa 2.500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer“, sagt Steiner. Für aufwendige Tätigkeiten können Zuschläge anfallen.
Zum Anfechten braucht es gute Gründe
Oft erwägen Benachteiligte, das Testament anzufechten. Eine solche Testamentsanfechtung ist aber nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. „Der Erblasser muss verstorben, der konkrete Erbfall muss eingetreten sein“, erläutert Dietmar Kurze, Fachanwalt für Erbrecht in Berlin. Zudem sind nur bestimmte Erben berechtigt, ein Testament anzufechten – und zwar solche, die aus der Anfechtung einen Vorteil ziehen.
Diejenigen, die ein Testament anfechten, müssen aber zwingend einen guten Grund dafür vorbringen können. „Es reicht zum Beispiel nicht zu sagen, der Erblasser war zu dem Zeitpunkt, als er sein Testament abfasste, dement“, sagt Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Die Diagnose Demenz ist für sich gesehen juristisch kein Anfechtungsgrund. Vielmehr muss die Demenz so stark ausgeprägt sein, dass der Erblasser testierunfähig war.
„Testierunfähig ist eine Person, wenn sie wegen einer krankhaften Störung ihrer Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen einer Bewusstseinsstörung nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung eines Testaments zu erkennen“, erklärt Michael Sittig von der Stiftung Warentest. Das Testament einer testierunfähigen Person ist unwirksam.
Allerdings gelingt laut Kurze in der Praxis der Nachweis, dass jemand testierunfähig war, nur selten. Denn auch wenn jemand dement war, kann er durchaus in einem lichten Moment ein rechtswirksames Testament abgefasst haben. Aussagen in Krankenakten oder Schilderungen von Zeugen wie Pflegern müssten plausibel belegen, dass jemand testierunfähig war.
Aber was sind nun Gründe für eine Testamentsanfechtung? Einer davon: Der Erblasser hat einen Pflichtteilsberechtigten, also Kinder oder Ehepartner, übergangen, von dessen Existenz er nichts wusste. Das kann zum Beispiel ein uneheliches Kind oder ein Kind sein, das erst nach dem Abfassen des Testaments geboren wurde.
Angefochten werden kann ein Testament noch aus einem anderen Grund: „Möglich ist das auch im Fall eines Irrtums oder einer Drohung zu dem Zeitpunkt, als ein Erblasser sein Testament abfasste“, sagt Kurze. „Der Irrtum muss ursächlich für die letztwillige Verfügung gewesen sein, das heißt, ohne diesen Irrtum hätte der Erblasser anders testiert“, erläutert Steiner. Auch ein sogenannter Inhalts- oder Erklärungsirrtum kann Grund für eine Testamentsanfechtung sein, also wenn sich der Erblasser zum Beispiel verschrieben oder Namen verwechselt hat.
Wer ein Testament anfechten will, muss dies innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes tun. „Dafür muss man eine Erklärung beim Nachlassgericht abgeben“, so Kurze. Das Gericht prüft die Erklärung – einschließlich der vorgelegten Beweise. Die Anfechtung wird öffentlich, sobald jemand einen Erbschein beantragt. Wurde vor Abgabe der Erklärung ein Erbschein bereits erteilt, prüft das Gericht, ob der Schein zu Unrecht erteilt wurde und wieder eingezogen werden muss – weil das Testament aufgrund der vorgelegten Beweise ungültig geworden ist.
Wie lange das Verfahren dauert, ist unterschiedlich. „Das kann sich über ein bis zwei Jahre hinziehen, aber auch darüber hinaus“, betont Steiner. Wer ein möglichst unangreifbares Testament verfassen möchte, sollte es nicht eigenhändig aufsetzen, sondern zum Notar gehen. „Das senkt das Risiko von Einflussnahme und Fälschungen“, erklärt Warentester Sittig.