Zu einem würdevollen Abschied gehört eine angemessene, einfühlsame Rede. Bei religiösen Trauerfeiern hält meist der Pfarrer die Rede, im Fall von Konfessionslosigkeit stehen Trauerredner zur Verfügung. Die Profis haben sich auf solche Reden spezialisiert. Das Porträt eines Trauerredners aus Nordhorn.
Die Trauer in Worte fassen
Die wichtige Aufgabe eines Trauerredners: Würde und Verständnis für die Toten
In einer Gesellschaft, die sich immer mehr von der Kirche löst, ergeben sich viele Veränderungen. Sie betreffen auch die Trauerfeier.
Nordhorn. Was passiert, wenn ein Mensch stirbt, der nicht mehr Mitglied einer Kirche ist, sich aber trotzdem eine würdige Trauerfeier mit einer Rede wünscht? Oder wenn einer, der zwar noch Mitglied einer Kirche ist, aber keine Rede von einem Pastor hören will? Dann kommt der Trauerredner ins Spiel.
Einer von ihnen ist der Nordhorner Reinhard Prüllage. Seit elf Jahren begleitet der gelernte Diplompädagoge für Erwachsenenbildung die Hinterbliebenen in ihrer schwersten Stunde. Doch das war ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Eher das Gegenteil war der Fall. Schon in jungen Jahren verlor er Großeltern und Eltern. Und das mit dramatischen Auswirkungen. Bis zu seinem 50. Geburtstag hat er das Thema Tod ausgeblendet, so weit es ging.
Die Wende begann mit einer Gesprächstherapie, bei der eine Familienaufstellung vorgenommen wurde. Unter großer Gefühlsaufwallung setzte sich Reinhard Prüllage mit dem Tod auseinander und fand eine Lösung, damit umzugehen.
Durch Zufall fiel ihm schließlich das Buch „Rot“ von Uwe Timm in die Hände, das die interessante und bewegende Geschichte eines Berliner Trauerredners zum Inhalt hat. Das Interesse war geweckt und auch ein Ziel. Entgegen der am jeweiligen Ritus ausgerichteten kirchlichen Trauerfeiern wollte Prüllage der Veranstaltung einen individuellen Charakter verleihen.
In diesem Zusammenhang ist es für ihn aber wichtig, deutlich zu machen, dass er trotz mancher Kontroverse keine Generalkritik an die Kirchen richtet. Prüllage ist immer noch Mitglied einer christlichen Kirche und zeigt für die rituelle Bindung durchaus Verständnis: „Im Gegensatz zum Priester, der vor allem das Jenseits und die Fragen des Übergangs im Auge haben muss, kann ich mich schwerpunktmäßig der Würdigung des vergangenen irdischen Lebens widmen. Dabei bleiben aber die wesentlichen Fragen von Leben und Tod nicht außen vor.“
Prüllage sieht sich als Agnostiker, der sich mit metaphysischen Sachverhalten auseinandersetzt, ohne allerdings eine vorgegebene Lösung für existenzielle Fragen zu haben. Wie er weiter erklärt, ist ihm die Würde eines jeden Toten ebenso wichtig wie das Bemühen, ein Verständnis für dessen vergangenes Leben zu bekommen und zu wecken. Gleichzeitig sollen auch die Interessen der Hinterbliebenen Berücksichtigung finden.
Dass Reinhard Prüllage mit seinem Ansatz richtig liegt, zeigt die große Resonanz. Als er sich zu Beginn seiner Tätigkeit bei einem Nordhorner Beerdigungsinstitut meldete, dauerte es kaum eine Woche, bis er den ersten Auftrag erhielt. Heute arbeitet er mit fast allen Grafschafter Bestattungsunternehmen zusammen und wird gelegentlich auch direkt kontaktiert. Seine Gesprächspartner bezüglich der Trauerfeier sind zumeist die Hinterbliebenen. Mit ihnen führt er ein längeres Gespräch, um möglichst viel über den Verstorbenen zu erfahren.
Es gibt aber auch den Fall, dass ein Sterbender den Kontakt zu Reinhard Prüllage sucht. Sichtlich bewegt berichtet er von einem Fall, bei dem vor Kurzem ein Betroffener, der nicht mehr lange zu leben hat, über seine Beerdigung und insbesondere über die Trauerrede, die über ihn gehalten werden soll, sprechen möchte.
Sind diese Dinge geklärt, setzt sich der Nordhorner an seinen Schreibtisch, um die Rede vorzubereiten. Dabei können schon einmal sechs bis acht Stunden ins Land gehen, bevor sie fertig ist.
Oft zitiert er dabei ein Gedicht wie zum Beispiel „Herbst“ von Hermann Hesse. Darin finden sich folgende Zeilen: „Liebe Vögel im Laub,/ liebe Brüderlein,/ Lasset uns singen und fröhlich sein,/ Bald sind wir Staub.“
Von Andreas Meistermann