QR-Codes auf dem Grabstein
Wandel und Trends in der Bestattungskultur
Zwischen Individualität und Anonymität sucht die moderne Gesellschaft nach einem neuen Kontext für den Tod. Dabei kann es um die Verknüpfung von virtuellen Formen des Gedenkens in Form von QR-Codes auf einem Grabstein genauso gehen wie um den Wunsch, Mensch und Tier gemeinsam zu bestatten.
gn Nordhorn. Vor ungefähr 20 Jahren war die Erdbestattung in einem Wahlgrab die dominante Bestattungsform. Zu einer Beerdigung sprach meist ein Pfarrer tröstende Worte und das Grab erhielt ein von einem Steinmetz gefertigtes Grabmal. In den vergangenen Jahren haben die Bestattungskultur und der Umgang mit der Trauer erhebliche Veränderungen erfahren.
Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, nennt das einen „Wandlungsschub“. Eine gewachsene Vielfalt unterschiedlicher Angebote von Bestattungsformen eröffnet individuelle Wahlmöglichkeiten, die nicht selten von den überlieferten Traditionen abweichen. Getrauert wird heute nicht mehr nur konkret in Tränen und emotionaler Ergriffenheit, sondern auch im Internet. QR-Codes auf Grabsteinen können auf die Lebensgeschichte des Verstorbenen im virtuellen Raum verweisen und erhalten zugleich einen konkreten Ort der Trauer an einem Grab. „Hier gehen neue Trends und gewachsene Formen der Trauer am Grab eine gute Verbindung ein“, so Wirthmann. Mit neuen gravierenden Problemfeldern werden Angehörige auch konfrontiert, wenn es um den digitalen Nachlass ihrer Verstorbenen geht: Was passiert mit E-Mailkonten, digitalen Guthaben, Nutzungslizenzen für Lieder und Filme, die heruntergeladen wurden?
Deutlich ist eine Sinnentleerung von Riten und Bräuchen im Umfeld von Bestattung und Trauer festzustellen. Diese Entwicklung stellt auch die Kirchen vor neue Herausforderungen, wenn beispielsweise Gebete und Riten nur noch von einer kleinen Zahl von Trauergästen verstanden werden. Die schnellere Lebenspraxis ist es, die sich auf die Bestattungskultur auswirkt. Eine größere Mobilität der Familienangehörigen, die oft weit verstreut leben, verändert weiterhin die Präferenzen und Wünsche. So suchen Menschen auch nach Grabformen, die ihnen entsprechen.
Das erklärt den Trend zur Feuerbestattung, die inzwischen 60 Prozent der ungefähr 870.000 Verstorbenen in einem Jahr in Deutschland ausmacht. Die Urne bietet verschiedene Beisetzungsformen, die das Erdgrab nicht ermöglicht. Doch: „Verstorbene sollen nicht in diese Mobilität einbezogen werden“, fordert etwa auch der Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter Dr. Rolf Lichtner. Längst stehen unsere Friedhof in einer Mitbewerberschaft mit anderen Formen: Grabeskirchen, Kolumbarien, verschiedene neue Varianten auf dem Friedhof bis hin zum Verstreuen (wenn es die Friedhofsatzung erlaubt) und Bestattungen in Naturräumen sind möglich. „Gerade das Verstreuen birgt jedoch große Probleme“, sagt Wirthmann.
„Es gibt keinen speziellen Ort, an dem Angehörige trauern können. Es ist ein Aufgehen im Nichts, was der Hochschätzung der Individualität eines Menschen widerspricht.“
Ruhefristen auf Friedhöfen werden oft nur einmal in Anspruch genommen und nicht verlängert. „Das führt dazu, dass Identitätsorte für Familien und Menschen verloren gehen. Die Ex- und Hopp-Mentalität wirkt sich auch hier aus.“
Menschen geben heute – teilweise notgedrungen, teilweise bewusst – weniger Geld für eine Bestattung aus. „Deshalb findet sie in manchen Fällen nicht mehr in einem würdigen Rahmen statt. Tod und Sterben sind auch in unserer offenen Gesellschaft noch immer ein Tabuthema, deshalb wissen viele Menschen nicht, was eine Bestattung kostet und haben in dieser Hinsicht kein Preisgefühl“, erklärt Oliver Wirthmann. Positiv bemerkt er allerdings, dass Trauer unkonventionellere Formen annimmt, die Menschen sich nicht mehr vorschreiben lassen wollen, wie sie trauern. „Der soziale Druck hat abgenommen.“ Er empfiehlt: „Man sollte sich immer die Frage stellen, ob die Bestattung zu dem Leben des Verstorbenen passt und ihm gerecht wird.“
Wohl zu überlegen sei laut Wirthmann auch der Weggang vom traditionellen Familiengrab. „Vielen ist nicht bewusst, dass die Urne auch im Familiengrab beigesetzt werden kann.“
Was die Grabpflege betrifft, gibt es heute ebenso viele Möglichkeiten: Durch einen Grabpflegevertrag können diese Aufgaben von jemand anders übernommen werden, sollte man nicht am Ort wohnen. Auch Gemeinschaftsgrabanlagen mit einheitlicher Pflege seitens des Friedhofes sind eine Variante. Jüngst wurde das erste Grabfeld für die gemeinsame Bestattung von Mensch und Tier in Essen eröffnet. Rechtlich sind solche neuen Grabanlagen unter Einhaltung bestimmter Vorschriften möglich und stellen einen weiteren Referenzpunkt für eine veränderte Wahrnehmung im Umgang mit dem Tod dar, konstatiert die Justiziarin des Bundesverbandes Deutscher Bestatter (BDB), Antje Bisping.
Wenn es gelänge, die Vielfältigkeit der Gesellschaft auch auf dem Friedhof darzustellen, wäre unsere Bestattungskultur viel bunter. Deswegen gilt es, den Mut zu haben, eigene Schritte zu gehen und Dinge, die zunächst unkonventionell erscheinen, in die Gesamtbestattungskultur einzubetten.