Die Aufnahme der „Friedhofskultur in Deutschland“ in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes im März 2020 hat noch einmal nachdrücklich aufgezeigt, dass Friedhöfe keine bloß funktionalen Orte sind.

Die Grabgestaltung nimmt neue Formen an / Charta für Friedhofskultur geplant

Sie sind Orte der Begegnung. Auf Friedhöfen begegnen sich nicht nur Menschen; sie sind auch Orte der Kultur, an denen sich Zeitalter begegnen. Sie sind Spiegel unseres kulturellen Verständnisses des Sterbens und unseres gesellschaftlichen Umgangs mit Tod und Trauer.

Zwar herrscht unter Fachleuten Einigkeit darüber, dass sich das Erscheinungsbild der Friedhöfe in Deutschland und die Friedhofslandschaft insgesamt in den kommenden Jahrzehnten nachhaltig wandeln werden. Es fehlt jedoch an starken Stimmen, die die damit verbundenen Herausforderungen auch in der breiteren Öffentlichkeit zur Diskussion zu stellen. Die Stiftung Deutsche Bestattungskultur arbeitet mit am Friedhof interessierten Partnern und Akteuren zusammen, um den gewerke- und disziplinübergreifenden Dialog zu befördern.

Der Friedhof behauptet als kulturelle Größe nach wie vor einen selbstverständlichen Platz im Bewusstsein der Menschen. Dennoch geht an den Friedhöfen der Wandel der Bestattungskultur nicht spurlos vorüber. Grab- und Friedhofsgestaltung nehmen neue Formen an. Zugleich ist der Friedhof für immer weniger Menschen ein attraktiver Ort für ihre Trauer. Friedhöfe haben heute ein Image-Problem. Und so geraten viele, kirchliche wie kommunale Friedhöfe nicht nur unter Innovationsdruck, sondern auch in
finanzielle Schwierigkeiten.

Auch die Beschriftung der Grabsteine ändert sich. Foto: dpa

Das Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur und Verbände der Bestattungskultur sprechen sich in einer gemeinsam erarbeiteten Charta für eine zeitgenössische Friedhofskultur aus. „Die Friedhöfe verändern sich, es gibt eine große Aufbruchstimmung im Friedhofswesen“, sagte der Geschäftsführer des Vereins, Tobias Pehle, anlässlich des Tags des Friedhofs. Ziel der Charta sei es, ein von allen getragenes Bekenntnis für eine zeitgemäße Bestattungsund Friedhofskultur zu formulieren und sich zugleich von alternativen Bestattungen außerhalb des Kulturraums Friedhof abzugrenzen. Viele der rund 30.000 aktiven
Friedhöfe machten den Besuchern und Trauernden neue Angebote, etwa mit Baumbestattungen oder pflegeleichten Gräbern, mit Friedhofscafés, Erholungsbereichen und Sitzecken für Gespräche und Treffen, mit neu geschaffenen Bioreservaten oder als Orte für Veranstaltungen.

Damit steigerten sie die Identifikation der Besucher mit der Friedhofskultur, sagte Pehle. Die Corona-Pandemie habe die Bedeutung der Friedhöfe noch einmal hervorgehoben. „Beisetzungen mit minimaler Besucherzahl und ohne Umarmung war für viele Trauernde fürchterlich“, sagte Pehle. Zugleich hätten die Menschen die Friedhöfe als Orte der Ruhe und Besinnung genutzt. „Die Menschen erkennen, was sie an den Friedhöfen haben“, betonte Pehle. Die Charta wolle dieser neuen Perspektive gerecht werden. Die Charta Friedhofskultur in Deutschland soll in den nächsten Wochen von den führenden Verbänden unterzeichnet werden, darunter die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal, dem Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands, den Bundesverbänden Deutscher Bestatter und Deutscher Steinmetze und dem Bund deutscher Friedhofsgärtner. Laut Pehle ist geplant, die Charta am Totensonntag, 21. November, zu unterzeichnen. epd