Notfallseelsorger leisten schnellen Beistand in schweren Momenten. Unterwegs mit einem Menschen, der wertvollen Beistand leistet.
Erste Hilfe für die Seele
Wenn ein Mensch plötzlich und unerwartet verstirbt, ist das für die Hinterbliebenen ein besonders schwerer Schock. Die Notfallseelsorge ist ein kirchliches Angebot, das den Angehörigen in der Akutphase hilft.
Von Sebastian Hamel
Nordhorn/Salzbergen. In seinem Beruf als evangelisch-lutherischer Pfarrer trägt Marcus Droste aus Salzbergen nicht immer Jackett oder Talar. Manchmal ist es auch die Warnweste – etwa dann, wenn er als Notfallseelsorger zu einem Verkehrsunfall ausrückt. Vor Ort kümmert er sich um Hinterbliebene, Ersthelfer und Einsatzkräfte in der Akutphase. Ein kirchliches, ökumenisch ausgerichtetes Angebot in Notfällen und Krisensituationen, das sich in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland fest etabliert hat.
Marcus Droste ist Pastor in den pfarramtlich verbundenen Kirchengemeinden Emsbüren-Salzbergen, Schüttorf und Spelle. Seit fünf Jahren ist er Beauftragter für Notfallseelsorge im lutherischen Kirchenkreis Emsland-Bentheim, seit Oktober 2016 außerdem mit einer halben Stelle für den gesamten Sprengel Ostfriesland-Ems, zu dem der hiesige Kirchenkreis zählt, zuständig. „Vom Grundsatz her ist es eine uralte kirchliche Aufgabe, Menschen in Not beizustehen“, berichtet Droste. Durch den Strukturwandel in der Kirchenlandschaft sei es aber schwieriger geworden, schnell jemanden für den seelischen Beistand zu erreichen. „Die Notfallseelsorge stellt eine Organisationsform dafür bereit“, erklärt der Pastor. Sie leiste unverzüglich „Erste Hilfe für die Seele“, bevor die weitere, längerfristige Betreuung durch den zuständigen Gemeindepastor erfolgt.
Verkehrsunfälle gehören dabei allerdings zu den weniger häufigen Einsatzstichworten, wie Marcus Droste sagt. Meist gelte es, im häuslichen Umfeld Unterstützung zu leisten. Indikationen seien etwa eine erfolglose Reanimation, der Tod von Kindern sowie ein beabsichtigter oder vollendeter Suizid. „Wenn ein Mensch plötzlich und unerwartet verstirbt, ist das für die Angehörigen ein besonders schwerer Schock“, berichtet er.
Notfallseelsorger werden mit speziellen Kursen auf die besonderen Herausforderungen ihrer Tätigkeit vorbereitet. Nicht nur Pfarrer sind dabei gefragt, sondern auch andere kirchliche Mitarbeiter, wie Pastoralreferenten oder Diakone. Bisweilen kommen auch Ehrenamtliche zum Einsatz. Das weltliche Pendant zu den kirchlichen Notfallseelsorgern ist das sogenannte Kriseninterventionsteam, doch in der Grafschaft Bentheim und im Emsland, wo auch die allermeisten Beerdigungen durch Pastoren erfolgen, besteht die kirchliche Trägerschaft.
Im Gebiet der Grafschaft Bentheim gibt es rund 15 Notfallseelsorger, die Leitung hat Ludger Pietruschka inne. Jeweils einer der Zuständigen versieht für 24 Stunden den Dienst, immer um 8 Uhr morgens erfolgt der Wechsel. Angefordert werden die Seelsorger nicht durch die Betroffenen direkt, sondern durch Notarzt, Rettungsdienstpersonal, Polizei oder die Feuerwehr. Die Einsatzkräfte kontaktieren dazu die Rettungsleitstelle, welche den diensthabenden Notfallseelsorger per Funkmeldeempfänger alarmiert.
Während mancherorts mit eigenen Blaulichtfahrzeugen ausgerückt wird, ist dies in der hiesigen Region nicht der Fall. „Bei Stau auf der Autobahn gibt es aber einen Fahrdienst durch die Feuerwehr, um die Rettungsgasse zu passieren“, sagt Marcus Droste. Generell sei die Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen von großer Bedeutung: „Es ist wichtig, dass man voneinander weiß und gewisse Grundregeln kennt – etwa, sich an der Einsatzstelle zunächst beim Einsatzleiter zu melden.“ Für Pastor Droste ist das allerdings nichts Neues: Er selbst ist aktiver Feuerwehrmann, fährt regulär mit den Salzbergener Brandschützern zu Einsätzen. Schon im Alter von zehn Jahren trat er der Jugendfeuerwehr in seinem Geburtsort Loccum bei.
Während seines Theologiestudiums erlebte er die langsame Entstehung der organisierten Notfallseelsorge. Ein Schlüsselereignis in diesem Zusammenhang war das ICE-Unglück bei Eschede im Jahr 1998. Als Marcus Droste für sein Vikariat ins nahegelegene Celle kam, fand er in dieser Gegend bereits professionelle Strukturen vor, die sich nach dem Zugunfall gebildet hatten.
Notfallseelsorger werden in ihrer Tätigkeit mit viel Trauer und Leid konfrontiert. Droste strebt dabei stets ein Gleichgewicht aus Mitgefühl und notwendigem Abstand an. Dies sei unbedingt notwendig, um angemessen handeln und unterstützen zu können: „Als Helfer kommt man in eine Situation, um Hilfe zu leisten“, bringt er es auf den Punkt. Bei besonders belastenden Vorkommnissen gibt es jedoch auch Hilfsangebote für die Helfer: Marcus Droste erinnert sich an das Transrapid-Unglück von Lathen im Jahr 2006, wo er als einer von mehreren Notfallseelsorgern zum Einsatz kam. Anschließend habe es Nachgespräche mit einem externen Kollegen gegeben, um das Erlebte zu verarbeiten.
Dies entspricht der Grundidee der Notfallseelsorge: In schweren Situationen sollen die Menschen nicht alleine sein. Es werden Gespräche geführt, wichtige Fragen besprochen, manchmal auch geschwiegen und gebetet. Das kirchliche Angebot richtet sich dabei an alle Menschen, unabhängig von Konfession oder Religion, betont der Pastor: „Wer Hilfe benötigt, der bekommt sie.“