Betroffene Eltern finden Hilfe im Gespräch

Wenn ein Kind stirbt

Es ist wohl die schlimmste Erfahrung, die Eltern machen können: der Tod des eigenen Kindes. Nichts ist mehr, wie es einmal war. Für Betroffene gibt es seit 2006 einen Gesprächskreis im Mehrgenerationenhaus in Emlichheim.

Von Andreas Meistermann

Emlichheim. Jeden dritten Montag im Monat treffen sich Eltern, die ein Kind durch Tod verloren haben, im Mehrgenerationenhaus „Senfkorn“ an der Wilsumer Straße 2–4 in Emlichheim. Ziel des Gesprächskreises ist es, ein Ansprechpartner für die Betroffenen zu sein, die sich in ihrer Situation oft hilflos und unverstanden fühlen.

Geleitet wird die Gruppe von Gerlinde Trüün, die selbst mit diesem tragischen Schicksal konfrontiert wurde. Ihre Tochter starb im Alter von neun Jahren an einem Tumor. Wie sie berichtet, hat sie während der Phase der Erkrankung, ebenso wie ihr Mann, gut funktioniert. Viele Dinge, wie Arzt- und Krankenhausbesuche, Gänge zu Ämtern und Krankenkassen, mussten organisiert werden. Doch nach dem Tod der Tochter fielen beide in ein tiefes Loch.

Von ähnlichen Erfahrungen sprechen auch Jan und Mina, Annegret und Jürgen, Tina, Anja und Gerrit-Jan, die wie noch weitere Eltern Teilnehmer des Gesprächskreises sind. Auch sie funktionierten, bis es nicht mehr ging.

Trotz anfänglicher Hilfe durch Verwandte, Freunde, Kollegen und auch Arbeitgeber kamen sie in eine Situation, in der sie merkten, dass ihr Leben von einem Tag auf den anderen komplett auf den Kopf gestellt wurde. Ihnen war durch einen Schicksalsschlag das Liebste genommen worden. Plötzlich geraten sie auf eine Achterbahn der Gefühle, geprägt von Trauer, Selbstvorwürfen und Enttäuschungen.

Mit der Folge, dass Menschen, auch aus der nächsten Umgebung, denen ein ähnliches Schicksal erspart blieb, immer mehr mit Unverständnis reagieren. Manche ziehen sich zurück, Freundschaften und andere Kontakte gehen verloren. Damit nicht genug: Oft kommt es vor, dass sich betroffene Eltern streiten oder trennen, weil viele einen unterschiedlichen Weg finden, um mit ihrer Trauer zurechtzukommen. Davon berichtet unter anderem die Leiterin der Gesprächsgruppe, Gerlinde Trüün, die mit ihrem Mann erst nach einer langen Zeit voller Konflikte wieder einen gemeinsamen Weg gefunden hat.

Das Mehrgenerationenhaus „Senfkorn“ an der Wilsumer Straße 2 ist der Treffpunkt. Foto: Berends

Als große Hilfe, um aus dem Teufelskreislauf von Trauer und Verzweiflung herauszukommen, erweist sich der in Kooperation mit der Fabi und dem Mehrgenerationenhaus „Senfkorn“ entstandene Gesprächskreis. Die Teilnehmer sind froh, dass es dieses Angebot gibt, wie sie übereinstimmend sagen. Sie können hier in einem geschützten Raum über ihre Probleme reden und fühlen sich verstanden. Von großer Bedeutung für alle ist es, dass sie die Erinnerung an ihr verstorbenes Kind wach halten wollen. Es ist immer noch in ihren Herzen und wird es bleiben. Und das heißt auch, dass sie über das verstorbene Kind sprechen wollen. Für Außenstehende ist das oft nicht nachzuvollziehen. Sie reagieren irgendwann sogar gereizt.

Umso wertvoller ist der Kontakt zu anderen Betroffenen. Für diese Eltern bedeutet das Verständnis, das sie finden, Entlastung und Trost. Gleichzeitig ist ihnen aber bewusst, dass das Thema Tod sie ein Leben lang begleiten wird. Als besonders schlimm empfinden alle Gruppenteilnehmer Daten wie Geburtstage, Todestage oder Weihnachten, an denen die Trauergefühle stark zur Geltung kommen.

Glücklicherweise gibt es auch viele andere Momente. Dann wird über Alltägliches geredet, wie Urlaub oder Probleme mit dem Auto. Und das ist auch okay so.